Das Theater von andcompany&Co.

by Florian Malzacher

In: andcompany&Co. the & of history. Ed. Florian Malzacher. Berlin: Alexander Verlag, 2021. 22-76.


DASS ist das erste Wort: dass etwas entstünde! Das Versprechen, eine Wüste wachsen zu lassen. Dass das da nie ganz voll sein wird, dass irgendwo in der Tiefe hinter diesem Vorhang eine unerschöpfliche Leere herrscht, die immer wider Platz schafft, eine Lücke in der Republik, wo wir hineinpassen. Dass das da nicht damit enden dürfe, dass man sagt, dass man etwas machen müsse, sondern dass etwas gemacht worden sein wird, bevor es zu Ende ist. Dass das also jetzt zu geschehen habe, jetzt. Dass dieses jetzt und jenes jetzt eins werden müsste in diesem Moment, im Moment des jetzt, der gerade dadurch, dass er gegenwärtig wäre, Vergangenheit und Zukunft kurzschlösse im Moment dieses jetzt. Und dass man sich so wie diesen Moment die Revolution vorzustellen habe: kleine schwarze Löcher ins Bild der Welt zu schießen, is sich die herrschende Unwirklichkeit selbst auffrisst. PANDÄMONIUM GERMANICUM: Lenz im Loop (2011)

Es gibt eine Tonaufnahme der letzten öffentlichen Rede des alten Brecht, 1956 vor der Sektion Dramatik beim IV. Deutschen Schriftstellerkongress der DDR. Launisch und genüsslich provozierend spricht er über “kleine, wendige Truppen und Trüpplein”, schnell agierende “Theaterchen” im Geiste des Agitprops, die nötig seen, um den schwerfälligen großen Häusern auf die Sprünge zu helfen. Dort gäbe es zu vile alte Intendant*innen und überhaupt eine große Trägheit. Dagegen setzte Brecht auf Eigeninitiative, auf “Selbstzündung”.

“Theaterchen” als Einsatztruppen performativer Kunst. Dieses Motto gefiel Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulimma, schon lange bevor sie sich den Gruppennamen andcompany&Co. gaben. Brecht Provokation interpretierten sie als einen Auftrag ans Freie Theater. Und vor allem an sich selbst. Nicht zuletzt gefiel ihnen, dass der alte Meister das Theatermachen in die Nähe des Aktivismus rückte und dabei doch auf Seiten der Kunst blieb. Die geforderte Wendigkeit ist eine politische ebenso wie eine ästhetische. Die Notwendigkeit, sich immer wider neu zu erfinden, neu zu positionieren. Beim englischen Begriff “devised theatre” schwingt eine solche Definition mit: Jede Arbeit ist neu zu entwickeln, beginnt am leeren Tisch, fängt mal mit einer Idee für das Licht an, mal mit einem Monolog, mal mit bestimmten Performer*innen, mal mit einer konkreten Frage. Theater kann vieles sein, wenn es nicht immer vorher schon weiß, was es ist. Und das sowohl auf als auch hinter der Bühne: Die prinzipielle Freiheit, die Möglichkeiten als Medium auszutesten, zu strapazieren, zu überstrapazieren, zu erweitern, gilt auch für Strukturen, Hierarchien, Rollenzuschreibungen, Abläufe, Kollaborationen. Kunst findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern inmitten sozialer, politischer, aber auch privater Zusammenhänge.